1.9.2005, 21 Uhr: Schauburg Bremen
Premiere: Das Ende der Gletscher - Pinguine und Robben in Gefahr 21. Heimspiel
Aus der Reihe EXPEDITIONEN INS TIERREICH. Dokumentarfilm von Uwe Müller. Deutschland 2004/ 2005, 52 Minuten. Das Eis der Polkappen taut. In der Antarktis driften Eisberge, größer als das Saarland, durchs Meer und schmelzen. Gletscher ziehen sich in noch nie da gewesener Geschwindigkeit zurück. Wissenschaftler prognostizieren, dass unsere Welt in wenigen Jahrzehnten kaum wiederzuerkennen sein wird. Ob in den Alpen, Südamerika oder in den Polarregionen, überall wird es wärmer...
Noch bedeckt das Eis weite Teile der Erde. Die auf den ersten Blick lebensfeindliche Welt der Antarktis ist die Heimat von Robben, Pinguinen und See-Elefanten - sie alle sind wahre Kältespezialisten, die bestens an die eisigen Bedingungen angepasst sind. Menschen haben in der eisigen Region kaum eine Chance, und doch haben die Eismassen auch für uns große Bedeutung: Das Gebiet der Antarktis hält die großen Meeresströmungen der Welt in Gang, versorgt uns mit Fisch und über den Golfstrom sogar mit Wärme.
Der argentinische Geologe Jorge Strelin untersucht auf seinen Forschungsreisen, wie sich die Erwärmung auf die riesigen Eismassen auswirkt. Was passiert, wenn sich die Gletscher weiter rasant zurückziehen?
Der Film geht der Frage nach, was es für das Gesicht der Erde, für uns Menschen und die Tiere bedeutet, wenn die Gletscher am Ende sind.
Der Bremer Natur- und Tierfilmer Uwe Müller ist mit seinen Dokumentarfilmen im internationalen TV erfolgreich und gewann bereits viele Preise. Die humorvoll ironische Darstellungsweise der Beziehungen von Tier und Natur zeichnen seine Filme aus.
Gastkommentar von Wilfried Hippen
Der Gletscher bricht im Auge der Robbe
In dem für einen lauen Sommerabend erstaunlich gut besuchten Schauburg-Kino fand am 1. September 2005 das 21. Heimspiel des Filmbüros Bremen statt: die Premiere des Dokumentarfilms "Das Ende der Gletscher - Pinguine und Robben in Gefahr" des Bremer Natur- und Tierfilmers Uwe Müller. Der etwas sperrige Doppeltitel wies dabei schon auf das Zwitterwesen dieser 52 Minuten langen, ganz traditionell auf Super 16mm-Filmmaterial gedrehten Fernsehproduktion des NDR hin, den einerseits ist sie für die Reihe "Expeditionen ins Tierreich" gemacht werden, und an deren Sendeplatz wird sie auch am 19.10. um 20.15 ausgestrahlt werden. Doch Müller hat hier auch etwas viel ambitionierteres versucht, als "nur" einen weiteren Naturfilm zu machen, in dem genregemäß die Tiere in ihren möglichst idealen, natürlichen Habitaten gezeigt werden. Hier wollte Müller aber darstellen, wie die Fauna der Gletschergebiete, sei es in den Alpen, in Patagonien oder in der Antarktis durch die globale Erwärmung, die die Gletscher und Eislandschaften drastisch schmelzen lässt, immer mehr bedroht wird. Er versuchte also nichts Geringeres, als ein ökologisch, wissenschaftliches Feature mit einer Tierdokumentation zu kreuzen. Als dramaturgischen Faden, an dem entlang er erzählt, nahm er dazu eine Forschungsreise des argentinischen Geologen Jorge Strelin, der auf drei Erdteilen untersuchte, wie sich die zunehmende Erwärmung auf die dortigen riesigen Eismassen auswirken. Müller reiste mit ihm in die Alpen, nach Südamerika und in die südlichen Polarregionen, wo der Wissenschaftler Messungen vornahm, und seine Ergebnisse dann direkt in die Kamera hinein vortrug. Filmisch interessanter waren dagegen die Bilder von den Malheuren und komischen Vorkommnissen der Reise. So sieht man den Forscher, dem "schon schlecht wird, wenn er nur ein Boot sieht", tapfer das Segelboot besteigen, mit dem er und das Filmteam durch das antarktische Meer kreuzten, und dann bei hohem Seegang elendig über die Reling kotzen. Später sehen ihm zwei neugierige Pinguine beim Graben im Permafrost zu. Mit solchen Reiseeindrücken gibt Müller dem Film eine unterhaltsame, persönliche Ebene. So doziert er nie abstrakt über die Gefahren der globalen Erwärmung sondern illustriert statt dessen die Fakten filmisch originell mit Computeranimationen. So sieht man, in einer virtuellen Zeitraffersequenz, wie drastisch sich ein Gletscher in den letzten Jahrzehnten verkleinert hat. Und in einer kurzen poetischen Trickaufnahme spiegelt sich tatsächlich das Kalben eines Gletschers im Auge einer Robbe.
Müller hat den Film sehr flott geschnitten. Er geht offensichtlich von einer eher geringen Konzentrationsspanne des Fernsehpublikums aus. Dadurch ist sein Film immer abwechslungsreich, aber er verschenkt auch einige seiner besten Einstellungen dadurch, dass sie nur für Sekunden zu sehen sind. So etwa ein wunderschöner, fast surreal wirkender Panoramablick auf einen genau rechteckigen Eisberg, der wie ein Teil aus einem riesigen Baukasten vor der Küste einer polaren Insel schwimmt, oder die Aufnahmen von brütenden Königspinguinen, über die übrigens das Team des französischen Tierfilmers Luc Jacquet den Film "Marsch der Pinguine" gemacht haben, der demnächst auch in die deutschen Kinos kommt. Bei Müller hat man oft das Gefühl, er wolle soviel wie möglich in die 52 Minuten des Films packen. Da muss er aus den Alpen auch noch unbedingt eine Nahaufnahme von einem Murmeltier zeigen, die mit dem Rest des Films nicht viel zu tun hat, aber das Tierchen ist halt niedlich. Der Film ist auf sympathische Weise unordentlich, doch Müller verzettelt sich nicht, und so wird die Dokumentation trotz der großen Menge an Informationen nie unverständlich. Und zum Finale gibt es dann noch Bilder von einem grandiosen Naturschauspiel, die nur Müller und sein Filmteam aufnehmen konnten, weil sie zufällig gerade drehten, als die Eisbarriere eines der größten Gletscher Patagoniens brach. Mit diesen fallenden Eismassen hat Müller die zentrale Metapher für seinen Film gefunden.
Wilfried Hippen
Fotos von der Premiere am 1.9.05
Fotos von:
Katherine Martin
Mail: katherine.(Email-Adresse)