„Manchmal reicht eine gute Idee“
Die Leiterin des Bremer Flimbüros fördert Filme, die gerade noch entstehen. So, wie 2020 „Jonny Island“, der jetzt in Bremen zu sehen ist.
Interview von Wilfried Hippen
taz: Frau Wegelein, wie viele der von Ihnen
geförderten Projekte werden tatsächlich fertig?
Saskia Wegelein: 50 Prozent, und das sind erstaunlich viele. Normalerweise ist einer von neun.
Wie viel Geld haben Sie im Jahr zur Verfügung, auf wie viele Preisträger:innen können Sie es verteilen?
Wir können 10.000 Euro vergeben und es gibt zwei bis drei Gewinner. Der Preis wird bundesweit ausgeschrieben, aber einer der Preise muss nach Bremen gehen.
Ist Ihr Preis immer die erste Finanzspritze bei den Projekten?
Ja, aber dann geht es ganz unterschiedlich weiter. Es gibt Projekte, die dann ohne eine weitere Förderung fertiggestellt werden. Und es gibt europäische Großproduktionen wie „Der Prinz und der Dybbuk“ von Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski.
Der hat ja nicht nur bei Ihnen, sondern später auch den Goldenen Löwen in Venedig gewonnen.
Genau. Bei dem sind die Filmmacher:innen mit dem Geld von uns für eine erste Recherche in die Ukraine gefahren und haben danach zuerst eine Projektentwicklungsförderung, dann eine Produktionsförderung und schließlich eine Vertriebsförderung bekommen. Wir fördern also die Großen und die Kleinen.
Wie war es bei „Jonny Island“, in dem von einem behinderten Lehrer erzählt wird, der zur Coronazeit nach Schweden zieht und von dort aus seine Klasse online unterrichtet?
Da hatte die Filmemacherin schon Filmmaterial gedreht und von unserem Geld unter anderem einen Trailer geschnitten, mit dem sie sich bei verschiedenen Förderern und
Produktionsfirmen und Sendern beworben hatte. Und 3sat hat ihn dann auch genommen.
Eine Jury wählt meist ein fertiges Werk aus, aber bei Ihrem Preis kann nur ein Potenzial beurteilt werden. Wie geht das?
Bei uns werden Projektbeschreibungen eingereicht, die nicht formatiert sind. Der kürzeste Antrag waren ein kurzer Zeitungsartikel und der Satz „Das möchte ich recherchieren“.
Und der hat gewonnen?
Ja, manchmal reicht nur eine gute Idee, aber wenn schon etwas gedreht wurde, kann auch etwas vom Recherchematerial gezeigt werden.
Und die Anträge werden anonymisiert.
Die Jury weiß also nicht, wer einreicht. Was sind da die Vorteile?
Zum einen ist es ein Ansporn für Quereinsteiger, die sich so trauen, ihre Anträge einzureichen. Denn die sagen sich sonst oft: Da gewinnen ja immer die gleichen. Und es schafft auch mehr Freiheit für die Jurys, weil es so nur um die Projekte geht und sie nicht überlegen müssen, ob sie es den Filmemacher:innen zutrauen.
Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Das war ein Vorschlag in der Diskussion um eine Erneuerung der deutschen Filmförderung, die mehr diverse Projekte und andere Erzählweisen ermöglichen soll. Und da haben wir gesagt, wir sind so klein, da können wir das einfach mal ausprobieren.