12.1.2006, 21:15 Uhr: Schauburg Bremen
PREMIERE Die Vergessenen der Al-Zahraa 24. Heimspiel
Premiere des Dokumentarfilms von Knud Vetten und Andreas Wenderoth (Produzent: de facto medienagentur). Subhe Abdullah Moosa und Adel Jewad Kadem aus dem Irak bewachen fast zwei Jahre einen stillgelegten, maroden irakischen Frachter in Bremerhaven. Jetzt kehren sie in ihre Heimat zurück, die während ihrer Abwesenheit von einem Krieg erschüttert wurde. Nichts ist mehr, wie es war. Adel und Abdullah suchen Orientierung.
Wenn sich die Weltgeschichte in einer persönlichen Geschichte spiegelt, die zugleich bewegend und interessant ist, dann ist dies für Dokumentarfilmer ein Glücksfall. Knud Vetten und Andreas Wenderoth fanden solch ein erzählerisches Kleinod im Hafen von Bremerhaven, und stellten am 12. Januar 2006 in der Schauburg anlässlich des 24. Heimspiels des Bremer Filmbüros ihre etwa 50 Minuten lange Dokumentation "Die Vergessenen der Al-Zahraa" vor.
Diese erzählt im Grunde die uralte Geschichte von Schiffbrüchigen, die an einer fernen und fremden Küste gestrandet sind. Doch in dieser modernen Version strandet das Schiff, auf dem Subhe Abdullah Moosa und Adel Kewad Kadem 21 Monate lang ausharren mussten, nicht durch einem
Sturm sondern durch die Politik. Anfang der 90er Jahre, als die Motoren des damals neuen Frachters Al-Zahraa (auf deutsch: die Rose) gerade in einer Werft in Bremerhaven überholt werden sollten, überfiel Saddam Hussein Kuwait. Deshalb wurde über den Irak ein Embargo verhängt. Seitdem liegt das Schiff in Bremerhaven und seit 13 Jahren verrottet es langsam. Jeweils zwei Ingenieure aus dem Irak bewachen das Schiff und werden nach 6 Monaten ausgewechselt. Ein einfacher und gut bezahlter Job, den Abdullah und Adel im Jahr 2002 antraten. Doch dann brach der zweite Irakkrieg aus, ihr Heimatland versank im Chaos und die Beiden wurden von ihrer Reederei schlicht vergessen, sodass sie 21 Monate auf dem Schiff bleiben mussten, und ihr Aufenthalt dort zur Qual für sie wurde.
Die beiden Autoren zeigen zusammen mit ihrem Kameramann Jörg Junge, wie Abdullah und Adel im winterlichen Bremerhaven ihre Zeit totschlagen. Das Schiff erweist sich dabei als ein Wunschtraum für Location-Scouts, denn solch einen maroden Ort, an dem alles rostig, verfallen und unwirtlich zu sein scheint, findet man selten. Die beiden Iraker haben sich ihre Kabinen wie Wohnhöhlen eingerichtet, alle Fernseher aus den anderen Kabinen darin aufeinandergestapelt und eine Vorrichtung gebaut, mit der sie das Wasser kochen und ihre Räume heizen können. Beide erzählen direkt in die Kamera von ihren Sorgen und Ängsten, man sieht sie bei ihren Gängen durch das alptraumhaft leer wirkende Schiff, beim Telefonieren mit der Familie, beim Fernsehen. So sehen sie sich auch die Nachrichtensendung über die Gefangennahme von Saddam Hussein an, und wenn sie dabei in Jubel ausbrechen, wird nicht genau klar, ob sie sich wirklich so freuen oder dies für die Kamera tun. Im Seemannsheim spielen sie ein wenig Billard und sie kaufen im Supermarkt ihre Nahrungsmittel ein, aber meist zeigt der Film nur, wie sie die Zeit hinter sich bringen. Es gibt nichts auf dem Schiff zu tun, sie müssen nur da sein.
Davon kann man psychisch kaputtgehen, erzählt der Leiter des Seemannsheims, der auch ihre Vorgänger kannte, und der einer der wenigen Deutschen ist, mit denen sie Kontakt haben. Ein Höhepunkt des Films ist die Sylvesternacht 2003/04, in der sich die beiden das Feuerwerk über der Stadt ganz alleine auf ihrem Schiff ansehen.
Ein dramaturgischer Höhepunkt ihrer Geschichte wurde dagegen leider nicht auf Kamera dokumentiert, weil die beiden, als dann doch ihre Ablösung kam, so schnell wie möglich nach hause fuhren, und die Filmemacher nicht informierten. So fehlt ein ganzer Akt in diesem Drama, und die Filmemacher mussten sich mehr schlecht als recht mit Zwischentiteln behelfen, um ihn zu erzählen. Im Irak beauftragten sie dann Kamerateams damit , die beiden zuhause bei ihren Familien zu filmen, und in diesen Bildern wirken sie viel entspannter und offenherziger als in Deutschland. Da es zu gefährlich für die beiden deutschen Filmemacher war, selber in den Irak zu reisen, kann man kaum davon sprechen, dass sie diese letzten Sequenzen des Film "gedreht" haben, aber gerade dieser Stilbruch macht den Film interessant, denn so sind diese Bilder aus dem Irak viel authentischer, als ein deutsches Filmteam sie hätte drehen können.
In der Diskussion nach der Projektion schilderten Vetten und Wenderoth diese und andere Schwierigkeiten, die sie beim Drehen des Films hatten. Das Geld von der Kulturellen Filmförderung Bremens ermöglichte ihnen, die Filmteams im Irak zu bezahlen, und so einen stimmigen Schluss für ihren Film zu finden, dem sonst der letzte Akt gefehlt hätte. "Die Vergessenen der Al-Zahraa" ist noch an keinen Fernsehsender verkauft, wurde aber bei der Premiere so stürmisch beklatscht, dass man für seine weiteres Schicksal das Beste hoffen kann.
Wilfried Hippen
Weitere Informationen unter www.al-zahraa.de
Fotos
Fotos von:
Katherine Martin
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