06.03.2019 um 20:00 Uhr im City46

Karl Fruchtmann Heimspiel 146

Anlässlich der Buchveröffentlichung „Ein jüdischer Erzähler“, der ersten Monographie über den Bremer Autorenfilmer Karl Fruchtmann (1915–2003), veranstalteten Radio Bremen, Filmbüro Bremen und Kommunalkino City46 einen Film- und Gesprächsabend.

Karl Fruchtmann. Ein jüdischer Erzähler

KarlFruchtmann c Kiki Beelitz Radio Bremen
KarlFruchtmann c Kiki Beelitz Radio Bremen

Der Autorenfilmer Karl Fruchtmann (1915–2003) gilt als einer der eigenwilligsten Fernsehregisseure. Kaddisch nach einem Lebenden (1969) oder Zeugen – Aussagen zum Mord an einem Volk (1981) sind wichtige Versuche, dem Publikum die Schrecken der Shoah begreifbar zu machen. Die Akademie der Künste und die Deutsche Kinemathek widmen ihm nun erstmals eine Publikation. Anlässlich der Buchvorstellung erinnern seine Tochter Sara Fruchtmann, sein Kameramann Günther Wedekind und der Dramaturg Jürgen Breest an Karl Fruchtmann.

Der Co-Autor des Buchs, Dr. Torsten Musial, stellte das Buch "Karl Fruchtmann. Ein jüdischer Erzähler" vor, berichtet aber auch allgemein über das Archiv der Akademie der Künste und die Schwierigkeiten, Fernsehproduktionen des 20Jh erneut sichten zu können. Im Publikum fanden sich dementsprechend viele, die die Chance zu einem wieder Sehen des Filmes nutzten. Dr. Bernhard Gleim, damals bei Radio Bremen tätig, ließ über kleine Geschichten aus der damaligen Arbeit den Filmkünstler Karl Fruchtmann lebendig werden. Besonders bewegend waren die Berichte des Kameramannes Günther Wedekind, der rund 30 Filme mit Karl Fruchtmann gemacht hat und auch von den Dreharbeiten zu "Kaddisch für einen Lebenden" berichten konnte. Das Bild des Menschen und Regisseurs Karl Fruchtmann rundete Sara Fruchtmann seine Tochter und langjährige Mitarbeiterin durch ihre Erzählungen ab.
Der Film selbst kann im Jahr 2019 neidisch machen: aufgebaut aus einzelnen Erinnerungen des Protagonisten ist nicht nur die formale Struktur und die genau gefundenen Einstellungen beeindruckend; auch so genau inszenierte Situationen wünscht man sich heutzutage. Die wenigen jungen Filmschaffenden im Saal können nun von diesem Beispiel künstlerischer Freiheit im Fernsehformat zehren.

Kaddisch nach einem Lebenden

Kaddisch nach einem Lebenden
Kaddisch nach einem Lebenden

D 1969
Buch und Regie: Karl Fruchtmann
Kamera: Günther Wedekind
Schnitt: Ingeborg Forth
Musik: Graziano Mandozzi
Produktion: Radio Bremen/Hans Bachmüller
Mit: Günter Mack, Zalman Lebiush, Johannes Bach

In diesem Film verarbeitet Karl Fruchtmann seine eigene KZ-Haft: Peri, ein Mann mittleren Alters, geht durch die Straßen von Tel Aviv. Er kommt von der Arbeit, geht nach Hause, und als er sich unterwegs für den Schabbat einen Fisch kauft, fällt ihm plötzlich Bach ein - jener Bach, mit dem er vor vielen Jahren in Deutschland im KZ war. Wo ist er, gibt es ihn noch? Peri hatte ihn fast vergessen, den komischen, linkischen Bach, der sich nicht anpassen konnte und nicht anpassen wollte, Bach, den Unglücksraben. Peri begibt sich auf die Suche nach ihm.

Der Film wurde als "ein Meisterwerk des deutschen Fernsehens" gelobt. Er wurde außer in der BRD in Holland, Belgien, Schweden, Italien, Österreich, der Schweiz und zweimal in den USA ("from coast to coast") gesendet. Der ebenso einfühlsame, wie handwerklich profilierte Regisseur bevorzugte den Autorenfilm, also Projekte, die er als Autor und Regisseur realisieren konnte. (www.deutsches-filmhaus.de )

Karl Fruchtmann (1916-2003), Sproß einer jüdischen Kaufmannsfamilie, verarbeitete eigene Erfahrungen. Er überlebte die Konzentrationslager Sachsenhausen und Dachau, emigrierte 1937 nach Palästina, dem heutigen Israel.
Später lebte er in London, wo er seine Frau Janet (1928-2012) kennen lernte, eine kanadische Malerin, die 2019 erst eine Ausstellung in der Villa Ichon hatte (www.villa-ichon.de : Janet Fruchtmann Widerstand und Opfer ). 1958 kehrte er nach Deutschland zurück und lernte beim WDR von der Pike auf die Fernseharbeit, zunächst als Kabelträger, dann als Regieassistent. 1962 führte er zum ersten Mal Regie. Ab 1963 machte er sich – in enger Verbindung mit Radio Bremen – einen Namen durch herausragende, besondere Fernsehfilme. Seine Tochter Sara Fruchtmann hat lange auch Filme gemacht (z.B. Schnitt - der Regisseur und die Cutterin ) und leitet nun das Bremer Geschichtenhaus.

Neben seinen Arbeiten für das Fernsehen war Karl Fruchtmann auch am Theater erfolgreich und anerkannt. So inszenierte er in Bern, Zürich (Schauspielhaus), Berlin, Düsseldorf, Wuppertal, Wien (Burg- und Akademietheater) und Hamburg (Thalia-Theater). (Quelle: Radio Bremen, Pressestelle, Stand 20.11.2000)

Preise und Auszeichnungen:
Filmpreis Rheinland Pfalz für Ein einfacher Mensch
1987 Grimme Preis in Gold für Ein einfacher Mensch
1988 DAG-Preis in Silber für Trotzdem!
1990 Senatsmedaille für Kunst und Wissenschaft des Landes Bremen
1991 Kultur- und Friedenspreis der Villa Ichon Bremen
1996 Ernennung zum Honorarprofessor für Filmwissenschaft an der Universität Bremen

Nachruf auf Karl Fruchtmann von Radio Bremen: www.radiobremen.de

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Die Reihe "Heimspiel Bremen" und "Heimspiel Extra" wird ermöglicht durch Projektmittel des Senators für Kultur Bremen.

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