18. Bremer Dokumentarfilm Förderpreis 2014
Im Jahr 1991 zum ersten und 2014 bereits zum 18. Mal, vergibt das Filmbüro Bremen den Dokumentarfilm-Förderpreis der Kulturellen Filmförderung für besonders förderungswürdige filmische Ideen.
Dank der fortgesetzten Unterstützung der Bremischen Landesmedienanstalt steht ein Gesamtbetrag von 13.000 Euro zur Verfügung, um die Recherche und Entwicklung aktueller Dokumentarfilmprojekte zu unterstützen.
Die unabhängige Fach-Jury bestand in diesem Jahr aus
Dr. Heribert Blondiau (Autor, Publizist, ehemaliger WDR- Redakteur),
Oliver Held (Cutter, Filmemacher, Künstler; Köln) und
Diana Näcke (Regisseurin; Berlin).
In ihrer zweitägigen Sitzung im März 2014 prämierte die Jury sechs der eingerechten 59 Projekte.
THERAPIE FÜR GANGSTER von Sobo Swobodnik und Eckhard Geitz (Arbeitstitel: Irre abhängig)
Die beiden Regisseure überzeugten die Jury mit ihrem filmischen Vorhaben einstimmig. Der besondere Zugang zur Forensischen Psychiatrie, in der sie für mehrere Wochen leben werden, um sich im Cinema Direct Stil konzentriert ihren Protagonisten und den Vorgängen in der Klinik anzunähern, kann einen immensen Sog entwickeln und menschlichen Verhaltensweisen innerhalb von Institutionen,wie der Forensik mikroskopisch nahe kommen. Die Genauigkeit und Klarheit, mit der das Vorhaben beschrieben wurde und der Wunsch auf eine menschliche, aber auch auf eine stark formal künstlerische Art, die Institution Forensik für das Kino zu öffnen, lässt auf einen Film hoffen, der einen ungewöhnlichen Blick in das Leben eines Maßregelvollzuges geben kann.
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MYANMARKET von Eva Knopf
Die Jury sieht in der Idee großes Potential für einen spannenden und erhellenden Film über zentrale ökonomische Abläufe unserer Zeit. Die Gunst des Narrativs liegt dabei im Zusammentreffen zweier höchst disparater "Märkte", deren Teilnehmer noch lernen müssen, ihre "Waren-Bedürfnisse" aufeinander abzustimmen. Die gesellschaftliche Öffnung von Myanmar zieht Verkaufsagenten und Investoren internationaler Multis an, die den neuen Markt zu bedienen suchen und dabei eine Gesellschaft verändern: Goldgräberstimmung liegt in der Luft.
Im Film von Eva Knopf könnten wir erleben, wie all das geschieht und erhoffen uns, Zeuge einer höchst aktuellen Globalisierungsgeschichte zu werden.
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DIE NARBE von Stefanie Rieke
Auf einem deutschen Soldatenfriedhof im Elsass, hier wo wir Deutschen jahrelang „die Boches“ waren, versucht Bernard Klein den Besuchern zu vermitteln, was damals geschehen ist. Versöhnung über den Gräbern, Arbeit für den Frieden, so lautet das Leitmotiv der angrenzenden Jugendbegegnungsstätte, die er leitet. „Super – Grabsteine putzen und Geschichtsunterricht - uff“, denken die meisten Jugendlichen, die hier ankommen. Aber Bernard Klein schafft es, die Namen auf den Grabsteinen zum Leben zu erwecken. Er kennt die Geschichten der Toten und er weiß sie zu erzählen. „Oh, wie toll. Noch ein Film über Vergangenheitsbewältigung - würg“, denken wir. Aber Stefanie Rieke gelingt es ein Szenario zu entwerfen, das nicht bei der Verarbeitung von Vergangenem stehen bleibt. Die Wahl ihrer filmischen Mittel lässt einen Film erwarten, der ein modernes Bild der Beziehung zwischen Franzosen und Deutschen zeichnet. Ein Film der zeigt, wie man Verantwortung übernimmt, für etwas, an dem man keine Schuld trägt. Und vielleicht ein Film, der zeigt, wie Europa doch noch funktionieren kann.
Die Narbe - ein aktuelles Bild der ewig deutschen Wunde.
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GRETAS GEBURT von Katja Baumgarten
Ein Kind ist bei seiner Geburt gestorben, seine Geburtshelferin steht seit August 2012 wegen Totschlags vor Gericht - ein ungewöhnlich schwerer Anklagevorwurf.
In der akribischen Arbeit des Gerichts, die Ursache für den Tod des Mädchens zu ergründen und der Angeklagten ihre mögliche Schuld nachzuweisen, zeigen sich Grenzen, ein über fünf Jahre zurückliegendes Ereignis zu rekonstruieren: Erinnerungen werden brüchig, medizinische wie gesellschaftliche Fragen und Widersprüche werden deutlich, unterschiedliche Lebenskonzepte prallen aufeinander. Das mit Spannung erwartete Urteil wird große Auswirkungen haben.
Der geplante persönliche Dokumentarfilm von Katja Baumgarten in Zusammenarbeit mit Gisela Tuchtenhagen (Kamera) wird den tragischen Todesfall und das anschließende Gerichtsverfahren zum Anlass nehmen, um über die heutige Geburtskultur nachzudenken: über Gesundheit und Pathologie, das Schöpferische, die nächste Generation, Verantwortung, Risiko und Gefahr, Selbstbestimmung und über die Möglichkeit und Grenzen individueller Entscheidung ...
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DER PRINZ UND DER DYBBUK von Piotr Rosolowski und Elwira Niewiera (Arbeitstitel: Der Prinz von Kowel
Die Jury sieht in diesem Projekt das Potential zu einem opulenten Film mit europäischer Ausstrahlung. Die filmische Ermittlung und Spurensuche der polnischen Filmemacher nach einer fast vergessenen, charismatischen Persönlichkeit des europäischen Films gibt sich von attraktiver Vielschichtigkeit. Erzählerisch changiert das Projekt zwischen bitter-melancholischer Schelmenstory und den mörderischen Geschichte-Arsenalen des Holocaust. Wenn man so will, hat die Erzählung des aus den Erinnerungen verschwundenen (gefallenen?) polnischen Regisseurs Michal Waszynski auch Züge von (Chamissos) Schlemihl, dem die Autoren mit ihrem Film seinen "Schatten" wieder beschaffen könnten.
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MILANO PIZZA von Ines Maria Müller
Ines Maria Müllers Porträt einer ostdeutschen Provinzstadt benutzt den bevorstehenden Motorrad Grand Prix als Kulisse, um durch ihre liebenswert schrägen Protagonisten, allesamt Pizzaboten, ihre Liebe zu ihrer Heimatstadt durch deren Herz zu verstehen. Die Jury sieht in Müllers Projekt die Chance auf einen sensibel erzählten Heimatfilm, der sich für die Verlierer der deutschen Geschichte interessiert, die durch den Film eine Stimme bekommen. Durch ihren ungewöhnlichen Blick aufs Leben hinterfragen sie politische Entscheidungen auf humorvolle Weise ganz nebenbei.
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Angesichts der schrumpfenden Fördermöglichkeiten für die Recherche von Dokumentarfilmen (die DEFA-Stiftung schloss gerade aus finanziellen Gründen ihre Stipendienvergabe) kommt dem Bremer Dokumentarfilmpreis als unabhängige Instanz, die vor allem jungen Filmemachern Chancen einräumt, zukünftig eine noch wichtigere Bedeutung als bislang zu. Die Jury des Bremer Dokumentarfilmpreises 2014 möchte die Wichtigkeit eines solchen unabhängigen Preises hervorheben und bedankt sich für die Möglichkeit, einen kleinen Teil dazu beitragen zu dürfen, herausragenden Projekten mit diesem Preis einen guten Start zu ermöglichen.
Der Bremer Dokumentarfilm Förderpreis wird ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung der Bremischen Landesmedienanstalt.