12. Bremer Dokumentarfilm Förderpreis 2004
Die diesjährige Jury vergab die Gesamtsumme von 15.000 € an drei Dokumentarfilmprojekte. Zudem sprach sie zwei lobende Erwähnungen aus.
Stellungnahme der Jury:
"Erfreut stellten wir in der künstlerischen Selbstbehauptung der regen Dokumentarfilmszene des Großraums Bremen eine vielgestaltige Experimentierfreude fest, der standardisierten TV-Filmsprache eine eigenwillige Ästhetik entgegenzusetzen. Außerdem war ein frisches Bedürfnis nach dem Politischen zu erkennen...
Das scheinbar alternativlose Primat des Kapitalismus, Globalisierung, Misstrauen und Unlust gegenüber der leeren Theatralisierung offizieller Politik, anhaltende Orientierungslosigkeit - all das führt zu einer spürbaren Sehnsucht nach Möglichkeiten des kritischen Denkens und ethischen Handelns gerade auch bei sehr jungen Leuten. Ein Großteil der 42 Bewerber für den 12. Bremer Dokumentarfilm Förderpreis möchte den Zuschauer wieder anregen, eine Haltung zu beziehen - ohne ihm diese vorzuschreiben. Der in den letzten Jahren eher marginalisierte Dokumentarfilm gewinnt wieder an Relevanz: ist er doch weniger ein Medium der Identifikation denn der Reflexion.
Vier Nachwuchs-Filmemacher, die wir jetzt fördern, damit wir in Zukunft noch viel von ihnen sehen werden."
Die Jury bestand dieses Jahr aus
Jens Fischer (Journalist)
Rainer Ludwigs (Produzent)
Andreas Samland (Filmemacher)
1. Preis - 8.000 €
"Umwege erhöhen die Ortskenntnis" von Christina Vogelsang und Daniela Abke
Hauptdarsteller ist der öffentliche Raum, der der Öffentlichkeit enteignet, allein fürs Arbeiten und Einkaufen funktionalisiert wurde, und so den Alltag der Stadtbewohner strukturiert. Das Filmemacherinnenduo sucht nach persönlichen Signaturen als Ausdrucksformen, mit denen die Stadt als sozialer Interaktions-, Kommunikations- und Verwirklichungsraum wieder ins Bewusstsein gebracht werden könnte - als Archiv der Bedürfnisse, Ängste und Sehnsüchte. Diesem brisant aktuellen Konzept haben wir den 1. Preis zugesprochen: 8.000 Euro Recherchegelder. Konkret, theoretisch, praktisch, spontan, so stellen wir uns vor, werden Vogelsang/Abke ihre Absicht umsetzen, "Bewegungen von Körpern und Kunst im Raum zu folgen, ihren Blick aufzunehmen und das vermeintlich bekannte urbane Feld neu zu entdecken". Kontakte bestehen bereits zu Sprayern in Berlin, zu Pariser Akrobaten, die sich fliegenden Schritts ihre eigenen Wege durch die Metropole bahnen, sowie zur Swoon Group, welche mit fragilen Papierarbeiten, Stickern und Bildern gegen den steinernen Moloch New York argumentiert.
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2. Preis - 4.000 €
"Tsüldrim alias Heiko" von Claudio Pfeifer
4.000 Euro und damit den 2. Preis erkannten wir einer weiteren Suche nach Utopien und alternativen Lebensentwürfen zu. Der Bremer Filmkunststudent möchte sie mit seinem Film unternehmen und mit einfachsten Dokumentarfilmmitteln seinem Cousin ins buddhistische Kloster folgen. Er soll diese Glaubensgemeinschaft und ihren Arbeitsalltag erklären, verständlich machen - und kritisch hinterfragen, warum jemand ein solches Leben der westlichen Zivilisation vorzieht. Wie reagiert jemand nach dreijähriger Abgeschiedenheit im Kloster auf die Außenwelt, wenn er sich neu mit ihr konfrontiert?
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3. Preis - 3.000 €
"Für den Ernstfall" von Knut Karger
Der mit 3.000 Euro dotierte 3. Preis geht an ein Projekt, das nicht von einem Bremer Filmemacher, sondern vom Münchner Filmstudenten Knut Karger eingereicht wurde. Ein Zeichen, dass sich der Bremer Dokumentarfilm Förderpreis in Zukunft über die Grenzen der Hansestadt hinaus öffnen will. Überregionale Kooperation ist angesagt und nützlich für beide Seiten. In Kargers Film-Essay sollen die verborgenen Manifeste des Kalten Krieges ins Bild gerückt werden: Atombunker in Bremen, Bonn, Berlin. Auf der verbalen Ebene will der Autor/Regisseur eine Gedankenreise unternehmen. Zielstrebig, ausschweifend, flanierend, pointiert soll räsoniert werden über kollektive Ängste, Illusionen der Sicherheit, Bunkersymbolik einst und jetzt sowie die Hybris nuklearer Abschreckung im Spiegel der Spieltheorie des John von Neumann.
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Lobende Erwähnung
Die Jury hofft, dass die beiden Filmemacher ihre Konzepte weiter ausarbeiten und sehen gute Chancen für eine zukünftige Zusammenarbeit.
Zum einen für Ralf Küsters "Utopien", ein Dokumentarfilmprojekt, dessen Tragweite und politisches Engagement die Jury beeindruckte.
Zum anderen für Jan van Hasselts "Noise Addicts", das das alltägliche Phänomen Lärm auf ungewöhnliche und vielschichtige Weise unter die Lupe nimmt. Das Lob der Jury gilt dem Thema, der Suche nach einer wirkungsvollen Ästhetik sowie der Querköpfigkeit, mit der der inhaltlich breit gefächerte Untersuchungsansatz verfolgt wird.
Bremen, 23. Juni 2004